Ich hatte nicht damit gerechnet, und ich konnte auch nicht damit rechnen. Sie bat mich — ohne eine spur weiterer erläuterung — dass ich mir den ganzen sonntag für sie freihalte, und unser miteinander ist von dieser problembeladenen natur, die mich bei solcher bitte nichts gutes erwarten lässt. Und dann konnte ich sie die ganzen tage vorher so was von nix erreichen! Dabei hätte ich doch so gern gewusst, wofür ich mir einen tag freihalte…
Es war kein problem, sondern sie wollte unbedingt mit mir einmal etwas anderes machen, rausgehen, zu einen ort, wo ich nicht die ganze zeit am kotzen bin. Sie ist nicht gerade reich, sie lebt sogar von hartz IV, aber das war ihr eine menge geld wert. Und so fand ich mich am sonntag in einer dröhnenden straßenbahn, die durch die ödnisse hannovers fuhr, mit dem ziel langenhagen, in ein kleines teater, die mimuse.
Und dort gab es

Und sie hatte recht, ich habe nicht die ganze zeit gekotzt. Obwohl das, was dieser wortmagier da sehr unterhaltsam brandmarkte, durchaus zum kotzen war — nein, nicht der vortrag, sondern die darin beschriebenen zustände der medialen angstmache, des p’litischen betriebes, der stumpfen beschäftigungsterapie für die menschen und der völligen resignazjon. Nein, ich habe sogar gelacht. Denn Hagen Rether schwebt so weit über diesem ganzen klamauk und über den allzu eingefahrenen wegen des p’litischen kabaretts, dass es ein genuss ist. Der hat da über drei stunden auf der bühne gestanden, und es war eigentlich nur deprimierend, und man hat gelacht.
Ein ganz großer zauberer!
Ich habe sogar die gelegenheit genutzt, ihn kurz kennenzulernen, als er nach seinem programm einfach dasaß, um seine CDs mit autogrammen abzustempeln. Ich hatte keine CD gekauft, ich wollte kein autogramm, ich hasse jeden personenkult. Ich wollte ihn einfach nur sagen, zusammen mit ihr, was das für ein wundervoller abend war, und das habe ich getan. Ich dachte mir, dass er so etwas schon hundertmal gehört hat, denn ich vermeide jedes drängeln und habe auf das ende des ansturms gewartet. Aber nein, er schaut uns an, sagt so etwas wie „Ihr habt doch da oben auf der empore gesessen, hat man da auch alles gut gehört?“ und ich bin fassungslos. So viel aufmerksamkeit habe ich noch nie bei jemanden erlebt, der auf einer bühne sein programm abspult (und glaubt mir: bei dem sitzt jedes wort ganz sicher und fest).
Ich sage es ja: ein ganz großer zauberer, und ein abend, den ich so schnell nicht vergessen werde.