Mehr als zweieinhalb jahre habe ich jetzt mein eigentliches, mein ausgereiftes, mein hauptsächliches blog „lumières dans la nuit“ geführt, und in ein paar stunden wird es sich — wenn ich nicht völligen strunz programmiert habe — einfach abschalten. Dieses blog wurde ein richtiger begleiter in meinem leben. Es war ein bisschen wie eine kamera: jemand, der eine kamera mit sich führt, sieht überall ein motiv, und jemand, der so ein blog betreibt, sieht überall einen grund, seine trüben und hellen gedanken in worten auszudrücken. Es ist mir schon etwas wehmütig, dass das nun aufhören wird.
Für meine handvoll leser — es waren gar nicht so wenige — kam es vielleicht sehr überraschend, dass ich scheinbar plötzlich aufhörte. Für mich selbst steigerte sich der überdruss jeden tag, vor allem in den letzten wochen und monaten. Es war nicht das bloggen selbst, das mir die fortsetzung des bloggens untragbar machte, es waren nicht die immer wieder auftauchenden, teils scharfen polemiken im kommentarbereich, es war auch nicht die tägliche plagerei mit der spämm im blog, es waren auch nicht meine lebensbedingungen als obdachloser bettler, der nur nimmt, was ihm kampflos gegeben wird; nein, es war die juratrollerei einiger leute, die mich immer wieder mit angedrohten, rechtlichen schritten dazu gebracht haben, dass ich einträge still entfernt habe. Denn. Ich konnte es nicht auf eine juristische auseinandersetzung ankommen lassen, für den sörver war ein schwerkranker freund verantwortlich, der diese last kaum hätte tragen können. Als ich vor einigen tagen eine weitere, mit kostenintensiven drohungen und einer frist gespickte aufforderung bekam, eine völlig harmlose betrachtung eines teilaspektes des gesellschaftlichen prozesses zu entfernen, da ist mir endgültig der kragen geplatzt. Es ist für mich einfach nicht mehr möglich, harmlose und eher nachdenkliche dinge offen und in nicht-anonymer weise zu bloggen, und ich werde auch nie wieder damit anfangen.
Bleibt nur zu hoffen, dass sich jeder kräftig bedient hat, der etwas von meinen texten für sich erhalten will. Dafür war die piratenlizenz da.
Klar, das blahblog bleibt. Erstmal. Es ist eine fröhliche linkschleuder, bei der ich auch mit leichtigkeit etwas löschen könnte. Aber ein gedanke, der für mich einen wert hat, passt nicht mehr in die gegenwärtig bestehende gesellschaft in der BRD.
Auch meine musik wird bleiben. Erstmal. So lange, bis auch ein künstlerischer ausdruck in der BRD nicht mehr möglich ist, ohne dass man immerfort die rechtskeule der geldherrschaft erwarten muss. Sollte es so weit kommen — und ich lasse mich nicht auf eine einzige erzwungene löschung mehr ein — denn wird auch die von mir veröffentlichte musik verschwinden. Wer in ihr einen wert sieht, der wird sie hoffentlich in ein netzwerk zum dateitausch stellen, denn dafür hat sie ihre freie lizenz bekommen. Meine besonderen erfahrungen mit jamendo werden es mir für alle zeiten unmöglich machen, noch einmal musik einem so genannten „web zwo null“-dienst anzuvertrauen. Ich mache mein schaffen doch nicht zu einem stück käse, mit dem man menschen in die mausefalle der überfall-werbung lockt.
Noch ein paar stunden, und es ist vorbei. So richtig kann ich es selbst noch nicht fassen. Aber ich werde es fassen müssen, denn es gibt nichts anderes. Mir sind in den letzten tagen noch so viele themen und erscheinungen übern weg gelaufen, über die sich eine schreibende betrachtung gelohnt hätte, aber das gibt es vorerst nicht mehr. Vielleicht entschließe ich mich, irgendwo völlig anonym weiter zu machen, aber allein das ist ein schaden, so etwas wie eine spukerscheinung nach dem tod.
Ruhe sanft, du licht in der nacht! (Und wenn du spuken willst, wenn du zum irrlicht über dem sumpfigen grau des lebens werden willst, denn sieh zu, dass dich niemals jemand greifen kann. Denn man tut alles in der BRD, um noch den flüchtigsten, marginalsiertesten geist zu erwürgen.)
Über der todesanzeige könnten die worte stehen: „Wer den menschen die möglichkeit zum sprachlichen ausdruck nimmt, der lässt ihnen nur noch die fäuste zum sprechen.“