Da weiß ich gar nicht, was ich als zitat rauspicken soll, so dicht und schmerzhaft ist der ganze text. Kein gesicht und keine stimme: kinder in der aktuellen populärkultur:
In Christopher Nolans Agenten-Zeitreise-Thriller Tenet, einem der wenigen größeren Kinoereignisse des vergangenen Jahres, steht in mancher Hinsicht ein Kind im Zentrum des Geschehens: Max, der etwa siebenjährige Sohn der Heldin Kat und des Bösewichts Sator. Max ist der Grund, warum Kat ihren gewalttätigen Mann nicht verlässt; ihn versucht sie zu schützen, wenn die Welt unterzugehen droht; von ihm und ihrer großen Liebe zu ihm spricht sie wieder und wieder. Dennoch lernt das Publikum Max niemals kennen. Wir sehen ihn ganze drei Mal, stets aus großer Distanz: Zweimal kommt er aus dem Gebäude seiner teuren Privatschule und verschwindet im monströsen schwarzen Geländewagen, der ihn nach Hause bringt. Ein drittes Mal, es ist die letzte Szene des Films, kommt er ebenfalls aus der Schule, wird aber diesmal von seiner Mutter abgeholt […]
Über zweieinhalb Staffeln aber wird keines der Kinder je gezeigt, und erst im Finale der Serie tauchen beide für etwa zwei Sekunden auf. Zuvor sprechen die Eltern […] häufig und intensiv über Betreuungsfragen […] Aktiv und für die Zuschauer sichtbar sind dabei aber ausschließlich Erwachsene, deren Leben sich im Übrigen durch die Existenz der Kinder nicht grundsätzlich verändert hat […] Ständig bezeugen junge ebenso wie erfahrene Mütter die sie erfüllende grenzenlose Liebe zu ihrem Kind, ständig wird diesen Frauen von allen Seiten bescheinigt, sie seien „großartige“ Mütter. Diese Mutterschaft allerdings bleibt abstrakt und in gewisser Weise ziellos. Denn auch hier tauchen die Kinder selbst kaum auf. Sie werden Erzieherinnen ausgehändigt, an Babysitter übergeben oder mit dem Schulranzen auf dem Rücken aus der Tür geschoben. Niemand verbringt jemals Zeit mit ihnen, spielt oder führt gar ein Gespräch. Kinder haben in dieser Erwachsenenwelt keinen individuellen Charakter, keine Ansprüche und keine Stimme, sie sind nur zweierlei: ein Organisationsproblem und eine Projektionsfläche für die Gefühle der Erwachsenen […] Gender und race sind ständig diskutierte Themen, Homosexuelle und Transpersonen gehören selbstverständlich zur festen Besetzung, und auch class und disability werden problematisiert. Kinder aber bleiben klischeehaft und stumm […]
Es geht um Lebensentwürfe und neoliberale Leistungsoptimierung. Kinder passen hier höchstens als Idee herein, nicht als eigene Wesen mit individuellen Bedürfnissen […]
Hier wird nicht etwa eine Gesellschaft gefordert, die mit entsprechender Infrastruktur und Gesetzen Mütter und Kinder schützt und beiden Gruppen Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Hier wird – durch die ständige Wiederholung und Betonung des Wortes „mother“ – ein neues, hochanspruchsvolles Frauenideal konstruiert, dessen Durchsetzung die Interessen von Müttern und Kindern systematisch ignoriert
Kein wunder, dass jede empatie mit kleinen menschen verschwindet, wenn man sein gehirn jeden verdammten scheißtag mit dieser propagandascheiße von menschenfeinden flutet, die letztlich nur produziert wird, um reklame damit zu vermarkten.